Andreas Honig im Kopf (Auszug)
Zur Betonung meiner Männlichkeit hat meine Frau einen Hund angeschafft, der alle relevanten Charakteristika von purem Testosteron in sich vereint: Kierke, so heißt die Hundedame, wiegt fast drei Kilogramm und hat als Prager-Rattler-Chihuahua-Mischung viele Vorteile von Hello Kitty: große Augen, große Ohren – und ist einfach nur „ohhhhhhh, niedlich“. Sie ist zudem zu niedlich, um konsequent erzogen zu werden. Wenn ein komplizierter Befehl wie „Sitz!“ klappt, stößt meine Frau ein begeistertes, von Milcheinschüssen begleitetes „Huiiiii, fein“ aus. Ich auch.
Beim Spazierengehen kommen mir bisweilen böse dreinschauende Muskel-Ottos entgegen. Ihre 50-Kilogramm-Kampfmaschinen zerren an dem Tau, das Herrchen und Vierbeiner verbindet. Zwischen Kierke und mir ist nur ein rosafarbenes Bändchen, das an ihrem Hals an einer mit Strass-Steinen besetzten Mädchenhalskette befestigt ist. Wenn der Muskel-Otto auf meiner Höhe ist und die kleine Kierke ihr „Wauwauwau“ in Mezzosopran-Stimme ausstößt, packe ich den Accessoire-Hund zur Beruhigung in meine Armbeuge. Der Muskel-Otto schaut verächtlich und ich müsste ihn nur noch mit „Hi, Süßer“ ansprechen, um die perfekte Illusion zu erzeugen …